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Aktuelles | De Gennaro, Enrico | 22.10.2023

Freispruch! Oder Folter und Flamme? – Stadtführung mit Ines Schmiedl „Auf Katharina Keplers Spuren in Güglingen“

Von Leonore Welzin

 

„Johannes-Kepler-Schulen gibt es viele, die Katharina-Kepler-Schule ist einmalig“, erklärt Ines Schmiedl. Die Schule ist die letzte Station ihrer Führung „Auf Katharina Keplers Spuren durch Güglingen“, eine Veranstaltung des Römermuseums in Zusammenarbeit mit der Kulturregion Heilbronner Land. Das große Interesse am Thema Katharina Kepler zeigt sich zum einen an der Teilnehmerzahl: 34 Keplerin-Fans haben sich versammelt und zum anderen an Fragen: Wie wurde jemand zur Hexe? Was waren die Anklagepunkte?

 

Katharina Kepler Hexenverfolgung

 

Ausgehend vom Rathaus, heute Römermuseum, wo das Urteil des Strafprozesses gegen die „Hexe von Leonberg“ – so die amtliche Bezeichnung – ergehen sollte, führt Schmiedl die Gruppe hundert Meter in südöstlicher Richtung, wo sich einst das untere Tor befand. Danach zurück auf den Marktplatz. Hier erläutert Schmiedl, dass ein Jahr nach Katharinas Verhaftung, am 20. August 1621, der peinliche Gerichtstag stattfand. Katharina erschien laut Protokoll „leider mit Beistand ihres Sohnes Johann Kepler, Mathematici“. Die Verteidigung erhielt nur eine Dreitagesfrist zur Ausarbeitung der Gegenschrift. Die Urteilsverkündung wurde wegen des großen Andrangs Schaulustiger in den Tanzsaal des gegenüberliegenden Gasthauses verlegt.  

 

Bezichtigungen, mit dem Teufel im Bunde zu sein, hatten bereits 1615 begonnen. Die Keplerin wehrt sich sofort mit einer Verleumdungsklage. Der Vogt verschleppt diese. Im Gegenzug reicht die Gegenpartei 1618 ihre Schadensersatzklage ein; im September 1619, also vier Jahre nach Einreichen der Verleumdungsklage, wird ein bürgerlicher Rechtstag gehalten. Verhandelt wird aber nicht etwa Katharinas Anliegen, sondern die Reinboldsche Schadensersatzklage.

 

Die Dreistigkeit des Vogts hatte Erfolg: Aufgrund seines Berichts ordnete der Oberrat ein Zeugenverhör zu den Hexerei-Vorwürfen an. Darin wurde Katharina schwerstens belastet und am 7. August 1620 verhaftet. Auf Wunsch ihres Sohnes Christoph, der sich um den guten Ruf der Familie sorgte, wurde sie am 29. August nach Güglingen überführt.

 

Katharina Kepler Hexenverfolgung

 

Als Johannes Kepler einen Monat später in Güglingen eintrifft, um seine Mutter zu verteidigen, findet er sie in einem kalten Gelass. Er appelliert an den Herzog, seine 73jährige Mutter aus dem Kerker „in des Stadtknechts und Gerichtsdieners Haus und Stuben zu transferieren und auf ihren eignen so geringen Unkosten als möglich verwahren“ zu lassen. Kepler setzt durch, dass sie in das Torhäuslein des Stadtknechts beim Obertor (heute Marktstraße 6) verbracht und Tag und Nacht von zwei Wächtern bewacht wird. Da das Häuslein nur eine Stube hat, in der gleichzeitig die Familie des Stadtknechts wohnt und dieser Zustand unzumutbar ist, kommt sie nach einiger Zeit zurück ins untere Tor.

 

Was den Rundgang erschwert, ist nicht nur das Hin und Her, sondern auch die Tatsache, dass durch die Stadtbrände von 1849 und 1850 viel Bausubstanz vernichtet worden war. Vom Publikum ist viel räumliches Vorstellungsvermögen gefragt, um die Stationen des Leidenswegs der Keplerin nachzuvollziehen.

 

Katharina Kepler Hexenverfolgung

 

Zur Veranschaulichung hat Uli Peter, Vorsitzender des Zabergäuvereins, den Gewölbekeller Marktstraße 6 zu einer Devotionalienkammer mit Replikaten von Folterinstrumenten, Schriften und Bildern ausgestattet. Besonders beeindrucken Mutter und Sohn Kepler, zwei fast lebensgroße Skulpturen aus Pappkarton des Künstlers Thomas Waldner.

 

Katharina Kepler Hexenverfolgung

 

Ähnlich dramatisch wie das Tauziehen zwischen Aberglaube, Glaube und aufgeklärtem Denken, das sich am Fall Kepler exemplarisch erkennen lässt, ist das Tauziehen bei der Namensgebung der Schule: Als die SPD-Gemeinderätin Ursula Vogelmann „Katharina Kepler“ vorschlug, war die erste entsetzte Reaktion: „Des isch doch a Hex!“. 1998!! Der Freispruch war im Laufe der 400 Jahre auf der Strecke geblieben. Dass der Name ein Glückstreffer ist, dämmert den Güglingern erst allmählich.