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Aktuelles | De Gennaro, Enrico | 02.07.2021

Dekadenz und Niedergang standen am Sonntag im Fokus

Das Jahr 221 n. Chr. stand am Sonntag im Mittelpunkt von Themenführungen im Römermuseum – Frank Merkle entführte die nach dem Lockdown entsprechend kulturell ausgehungerten Besucher bei den gut besuchten Veranstaltungen in die Zeit des beginnenden Niedergangs und seiner vielfältigen Entwicklungen.

 

Elagabal war jener Kaiser, der im betreffenden Jahr über das Imperium regierte und der Nachwelt zum besonderen Synonym für Dekadenz und Lasterhaftigkeit wurde.

In väterlicher Linie nordafrikanische und in weiblicher Linie syrische Wurzeln besitzend, beruhte seine Legitimation nur auf der Unterstützung des Militärs und er stand in ständiger Opposition zum Senat und der konservativen Oberschicht. Ein erster besonderer Affront war die Errichtung eines Tempels für den syrischen Sonnengott Elagabal in Rom, dessen Hohepriester er traditionell war und dessen Namen ihm von der Nachwelt rund hundert Jahre später übertragen wurde.

 

Obendrein feierte er ausschweifende Orgien, bei denen er seine Gäste mit Rosenblüten überschütten ließ und trug besonders gerne Frauenkleider – by the way, wer sich nicht so gut in römischer Mode auskennt: Auf historischen Heimatfesten findet man eine Vielzahl von Protagonisten, die sich, nach eigenem Gusto römisch anmutend und für uns heute kaum auffallend, ausgerechnet in Frauengewändern präsentieren – Menschen von damals wären darüber also nicht nur peinlich berührt, sondern hell entsetzt.

 

Alma-Tadema Roses Heliogabalus

Das Historiengemälde "The Roses of Heliogabalus" (1888) von Lawrence Alma-Tadema nimmt die Ausschweifungen des Kaisers bildlich auf.

 

Ein weiterer Dorn im Auge waren des Kaisers homosexuelle Neigungen – an und für sich in der griechischen und römischen Antike nichts Aufsehenerregendes, wie die Haltung junger Lustknaben stets gang und gäbe war, einzig und allein als absonderlich wurde von der Öffentlichkeit jedoch angesehen, dass er im Liebestreiben stets die passive Rolle einzunehmen pflegte.

 

Schlussendlich setzte nach vier Jahren Regentschaft (von 218-222 n. Chr.), welche de facto von seiner Großmutter ausgeübt wurde, diese dem untragbar Gewordenen mit seiner Ermordung ein Ende, woraufhin sie dann ein weiteres, weniger vorbelastetes Familienmitglied auf dem Kaiserthron etablierte: Severus Alexander.

 

Besonders deutlich wurde in den Führungen, wie sich gerade die Provinz noch einer Blütezeit erfreute, während im Kernland allerorten schon der Niedergang spürbar war: Gerade die Sicherstellung der Unterstützung der Soldaten insbesondere in den gallischen und germanischen Provinzen führte dazu, dass die Kaiser über deren Sold viel Geld in unseren Raum pumpten und das Drumherum vernachlässigten. Über die nur kurzfristig wirkende Stellschraube der Währungspolitik wurde alsbald eine Inflation von eklatantem Ausmaß herbeigeführt. Ebenso spülte die Verleihung des Bürgerrechts an alle im Reich lebenden freien Bewohner nur kurzfristig Geld in die Kassen, da sie auf deren Pflicht zur Entrichtung von Erbschaftssteuer abzielte, aber letztlich die Anreize für Militärdienst in den grenzsichernden Hilfstruppen gravierend schwinden ließ.

 

Elagabal Dekadenz Niedergang

Frank Merkle zeigt auf die in Güglingen gefundene Münze des Kaisers Elagabal. Der Antoninian ist eine der letzten in der hiesigen Münzreihe. Dieses Nominal wurde von Kaiser Caracalla um 214 n. Chr. neu eingeführt – ihr Nennwert war zwar doppelt so hoch wie der eines gewöhnlichen Denars, nur ihr Silbergehalt nicht…


Mannigfaltig für den Niedergang verantwortlich waren darüber hinaus die enorme Rohstoffverknappung, die sich gut am Beispiel des immensen Holzverbrauchs ablesen lässt, als auch die Umweltzerstörung als eine Folge der intensiven Landwirtschaft: Gewaltige Bodenerosion und verheerende Überschwemmungsereignisse führten gemeinsam mit einer fortschreitenden Klimaverschlechterung dazu, dass vielen Agrarbetrieben die Lebensgrundlage nach und nach entglitt.

 

Viele Ursachen bewirkten also schließlich, dass auch unser Raum bereits in den 230er bis frühen 240er Jahren n. Chr. weitgehend verlassen wurde. So datiert etwa die bisherige Schlussmünze aus dem Güglinger Vicus in die Regierungszeit des Kaisers Severus Alexander (222-235 n. Chr.).