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Aktuelles | De Gennaro, Enrico | 21.05.2021
Güglingen zählt zu „Deutschlands schrägsten Orten“ – Buch von Pia Volk erschienen
Beim renommierten C. H. Beck-Verlag in München ist nun das Buch „Deutschlands schrägste Orte – Ein Fremdenführer für Einheimische“ erschienen (256 S.; 20,- € im Buchhandel).
Autorin ist die Geographin und Journalistin Pia Volk aus Leipzig. Ihre Texte erscheinen in der Zeit, der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und vielen anderen Magazinen. Darüber hinaus ist sie regelmäßig bei Deutschlandfunk Nova zu hören.
Für das Buch hat sie sich zwischen Wattenmeer und Allgäu, zwischen Frankfurter Mainufer und dem Sorbenland umgesehen und ist dabei auf lauter seltsame und seltsamste Orte gestoßen. 53 davon hat sie ausgewählt und eingehend porträtiert – einer von ihnen ist Güglingen.
Hexenverfolgung? Güglingen!
Anhand einer Location wollte die Autorin auch die Auswüchse der Hexenverfolgung in Deutschland in ihr Buch aufnehmen. „Hexenverfolgung? Da musst du unbedingt nach Güglingen!“, wusste sofort ihr Lektor beim Verlag in München. Ein Zeichen dafür, wie weit und nachhaltig die Aufarbeitung der Hexenverfolgung und speziell auch des Prozesses gegen Katharina Kepler 1620/21 durch das Römermuseum ausgestrahlt hat.
Anfang Februar letzten Jahres kam Pia Volk dann auf ihrer Recherche-Reise hierher: Sie ließ es sich nicht nehmen, das Städtchen und sämtliche Örtlichkeiten selbst in Augenschein zu nehmen und beschritt sogar den Weg zur städtischen Richtstätte auf dem Heuchelberg.
Hexenprozess als perfide Geschäftsidee
Herausgekommen ist ein unterhaltsam geschriebenes Werk, das durchgängig tiefgründig recherchiert ist und so manch ungekannten Blick auf die einzelnen Örtlichkeiten liefert:
„[…] So kommt Katharina Kepler nach Güglingen, wo Vogt Ulrich Aulber sich ihrer annimmt. Er bestimmt, dass die beiden Dorftrottel die angekettete Katharina Kepler im zugigen Gefängnisturm bewachen sollen, zu zweit, weil die alte Dame ja zaubern konnte. Die Hexenprozesse waren auch Teil einer perfiden Geschäftsidee. Die Angeklagten mussten für ihre Haft selbst aufkommen.“
Das traf tatsächlich vor allem in Güglingen zu, wo man sich durch gezielte Verschleppung des Prozesses und fortwährenden Amtsmissbrauch regelrechte Unsummen von der Kepler-Familie ergaunerte: Sei es durch den weit überzogenen Lohn für die Wächter, Unmengen von Fleisch zu Wucherpreisen (das die zahnlose Gefangene selbst gar nicht essen konnte) oder ebenso für Brennholz zum Heizen, das man vom Balzhof bezog (der traditionell übrigens auch das Holz für die ganzen Scheiterhaufen im Umland lieferte).
Bis zum Prozessende wurde so nicht nur das vollständige, ansehnliche Vermögen der Mutter abgeschmolzen – Sohn Johannes musste obendrein noch zweieinhalb Jahresgehälter drauflegen, um die Prozesskosten zu begleichen.
Museumsleiter Enrico De Gennaro erläutert: „Rechnet man den Gegenwert in Gold, so käme man heute auf eine Summe von etwas über 1,1 Millionen Euro. Das klingt zwar überschaubar, doch in der damaligen Zeit hätte man für diesen Betrag 17 durchschnittliche Stadthäuser kaufen können oder 470 strohgedeckte Bauernhäuser aus Holz. Zum Vergleich ist auch ein Blick auf die früheren Löhne erhellend: Dafür hätte ein Erdarbeiter 518 Jahre lang arbeiten müssen, ein Maurermeister 156 Jahre und ein Pfarrer immerhin noch 52 Jahre.“
Die unrühmlichen Güglinger Vorgänge als Negativbeispiel verursachten bereits 1622 eine Änderung des Justizsystems im ganzen Herzogtum Württemberg; zu guter Letzt wurde auch Vogt Aulber entfernt und nach Stuttgart versetzt, wo er kurze Zeit darauf verstarb.
Gedenk-Relief für die 1621 vorgenommene Folter an Katharina Kepler am Haus Marktstraße 6
Blick von außen auf eine kleine Stadt
Eindrücklich und köstlich geschildert sind im Buch auch die Beobachtungen der Autorin, die sie hier bei ihrem Recherchebesuch gewann, etwa:
„Wenn man heute durch die Stadt geht, kann man dem Verlauf der alten Stadtmauer folgen, die heute erst Stadtgraben heißt, dann Gartenstraße und später Eibensbacher Straße. Vieles hat sich verändert, aber die alten Strukturen lassen sich noch erkennen. Man sieht, wie die Häuser dicht an dicht gestanden haben müssen, wie ein jeder bei einem jeden mitbekommen haben muss, wann er ungesunden Stuhlgang hatte, wann die Kinder nicht spurten und wer welche (un)heimliche Liebschaft hatte.“
Namensstreit um die Katharina-Kepler-Schule
Bevor es mit der „Walhalla“ bei Regensburg weitergeht, schließt der Güglingen-Teil mit folgender Begebenheit aus jüngerer Zeit:
„[…] 375 Jahre danach sucht die Güglinger Hauptschule nach einem neuen Namen. Ein Gemeinderatsmitglied schlägt Katharina Kepler vor. «Des isch doch a Hex!», ruft ein anderer. Der Name würde die Schule vielleicht noch mehr in Verruf bringen, man würde sie vielleicht die Hexenschule schimpfen. Zwei Jahre dauert der Streit. Heute heißt die Schule Katharina-Kepler-Schule und erinnert an eine eigenwillige Frau, sozusagen alleinerziehend, deren ältester Sohn heute vermutlich Nobelpreisträger wäre.“
Dazu muss man im Hinterkopf haben, dass damals in Güglingen noch gar nicht so lange jene Zeiten zurücklagen, als hier beispielsweise die Hells Angels nicht nur um die Gunst der jungen Heranwachsenden buhlten, sondern auch so manches liebgewonnene Heimatfest zu vorgerückter Stunde ordentlich aufmischten…
Pressestimmen
- „Spannend und unterhaltsam.“ (Westfälische Nachrichten)
- „Selbst wenn man die meisten Ecken hierzulande schon kennt, hält Pia Volk garantiert noch ein paar Reiseziele bereit, die unbekannt sind. (…) Der nächste Inlandsurlaub kann kommen.“ (Hannoversche Allgemeine)
- „Eine erheiternde und erhellende Lektüre, die allerhand Erstaunliches zu Tage fördert.“ (Abendzeitung, Roberta De Righi)
- „Abenteuer pur!“ (MDR, Susanne Fröhlich)