Aktuelles (Archiv)
Aktuelles | De Gennaro, Enrico | 06.12.2010
Ein weiterer Puzzlestein für die Güglinger Vergangenheit: Diesjährige Ausgrabungskampagne abgeschlossen
Seit Ende August 2010 wurden in Güglingen wieder Ausgrabungen durchgeführt. Diese konnten Anfang Dezember mit den letzten Aufräumarbeiten abgeschlossen werden. Die archäologische Untersuchung konzentrierte sich in diesem Jahr auf ein künftiges Baugrundstück an der Emil-Weber-Straße. Besonders interessant war es durch seine unmittelbare Nähe zum Mithräum I, aber auch unter dem Aspekt, dass es direkt nördlich an bereits untersuchte Flächen anschloss. Nicht zuletzt bestand hier die Hoffnung, endlich einen deutlichen Nachweis für die exakte Trassenführung der römischen Zabertalstraße zu erhalten, der Hauptverkehrsachse für den Warenverkehr zwischen dem Neckartal und dem Oberrheingebiet.
Die Grabungen unter Leitung der beim Regierungspräsidium Stuttgart angestellten, aus Biberach und Emden stammenden Tübinger Archäologen Carmen und Söhnke Bohnet wurden vor Ort durch ehrenamtliche Helfer unterstützt, die bis aus Ludwigsburg und Schorndorf, aber auch aus Cleebronn, Pfaffenhofen und Güglingen kamen. Durch das teils bereits einschlägig qualifizierte und motivierte Personal gelang es diesmal, gründlichere Arbeit zu leisten und dem Boden kontinuierlich deutlich mehr Informationen zu entlocken als bei den zurückliegenden Großgrabungen, bei denen ein Großteil der Erdarbeit mit ungeschultem Personal bestritten werden musste.
Drei Häuser im „Armenviertel“
Die nicht allzu große Fläche des untersuchten Baugrundstückes erbrachte drei nebeneinanderliegende römische Hausparzellen in nahezu ihrer gesamten Länge. Während sich im hinteren Teil dieser Hausparzellen Latrinen und Abfallgruben befanden, konnten im vorderen Teil die Reste der eigentlichen Häuser gesichert werden. Dabei handelte es sich um Fachwerkhäuser in Pfosten- und Schwellbalkenbauweise. Übrig geblieben waren davon Pfostengräbchen und -gruben, aber auch bei einem Haus die Unterzüge des Schwellbalkenrahmens, für die etliche Mühlsteine zweitverwendet wurden. Eines der Gebäude besaß einen sehr kleinen Steinkeller. Bei diesem Keller ließen sich noch die verkohlten Stufen der hölzernen Kellertreppe nachweisen.
Foto: Landesamt für Denkmalpflege
Sehr gut ließen sich neben verschiedenen Brandereignissen auch Umbau- und Verkleinerungsphasen der einzelnen Häuser nachvollziehen. Insgesamt zeigte sich jedoch ein eher ärmliches Bild: Die Steingrößen der konstruktiven Elemente waren sehr uneinheitlich und setzten sich oft aus etlichen zweitverwendeten Steinen zusammen. Als Mauerfutter bediente man sich dem Ziegelschutt von Dachziegeln oder Wand- und Fußbodenheizungen. Alle Beobachtungen deuten darauf, dass die Gebäude, die hier einst standen, in ärmlicher und sparsamer Manier errichtet wurden - und das zu einem Zeitpunkt, als man bereits auf angefallenen Gebäudeschutt in der Nähe zurückgreifen konnte.
Dass dieser eher unattraktive Bereich in der feuchten Zaberaue nicht gleich zu Siedlungsbeginn in den 120er Jahren nach Christus bebaut wurde, sondern erst einige Zeit später, wird auch durch einige Münzfunde untermauert: Sie sprechen für eine Erstbebauung der Grundstücke ab den 160er Jahren.
Stinkendes Handwerk am Siedlungsrand
Auf einem der Hausgrundstücke befand sich eine quadratische Gerbergrube. Da sich in ihrem untersten Teil neben den hölzernen Einbauten auch noch die organischen Reste von Eichenrinden erhalten hatten, konnte sie so zweifelsfrei in ihrer Funktion angesprochen werden. Dieses geruchsintensive Handwerk wurde auch in römischer Zeit gezielt an den Siedlungsrand verbannt. Das Wasser der nahegelegenen ehemaligen Röhrenbrunnenquelle diente wohl für den sehr wasserintensiven Gerbprozess.
Foto: Landesamt für Denkmalpflege
Mit dem Gerberhandwerk konnte nun ein bislang im römischen Güglingen noch nicht belegtes Handwerk nachgewiesen werden. Ein weiteres Handwerk, das hier erstmals im Bereich der Grabungsfläche festgestellt werden konnte, ist die Seilerei, die durch den Fund eines Seilerhörnchens belegt ist.
Foto: Landesamt für Denkmalpflege
Jahrgenaue Datierung möglich
Im letzten Stadium konzentrierten sich die Grabungen auf einen Steinbrunnen. Sein Brunnenring war aus ungewöhnlich unregelmäßigen Steinen und Ziegelschutt aufgebaut. In fast zwei Metern Tiefe endete der Steinring und ein quadratischer Rahmenkasten aus massiven Eichenbalken trat zutage. Deren Länge von etwa drei römischen Fuß spricht dafür, dass sie ursprünglich im Gefache eines Fachwerkgebäudes verbaut waren und hier ihre letzte Verwendung fanden, nachdem ihre Enden neuerlich zugerichtet und aneinander angepasst wurden. Da sich die Hölzer unterhalb des Grundwasserspiegels befanden, wird durch sie eine jahrgenaue Datierung mittels der Baumringdatierungsmethode (Dendrochronologie) möglich sein.
Foto: Landesamt für Denkmalpflege
Weiteres Material für naturwissenschaftliche Untersuchungen werden die Bodenproben aus zwei Latrinen bieten, in denen sich ebenfalls unterhalb des Grundwasserhorizontes organisches Material und Pflanzenreste erhalten haben.
Vorläufiges Fazit
Die römische Zabertalstraße konnte auch bei dieser Untersuchung nicht angetroffen werden. Vermutlich befand sie sich tatsächlich unter der Trasse der heutigen Emil-Weber-Straße. Dennoch war dieser feuchte und hochwassergefährdete Bereich vollständig bebaut, wenn auch in bemerkenswert ärmlicher Weise. Am Rand der Siedlung wirkten die weniger attraktiven und oft auch sozial randständigen Handwerkszweige wie beispielsweise die Gerberei. Deren unmittelbare Nachbarschaft zum Mithräum I zeugt von der ebenfalls nicht exklusiven Lage dieser Heiligtümer in den Siedlungen.