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Aktuelles | De Gennaro, Enrico | 24.08.2020
Ein massiv goldener Gemmenring mit Mars-Ultor-Darstellung
Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung
War es nur ein ausgebuffter Pädagogentrick, zwei kleine Güglinger Buben zu Aufenthalt und Aktivität in der Natur anzuregen, indem man bei ihnen das Interesse für Geschichte und die Römer weckte und in ihnen die Hoffnung schürte, einmal draußen auf dem Acker einen richtigen Schatz zu finden?
Wahrscheinlich eher nicht, denn vor fünfzig Jahren waren alle elektronischen Ablenkungen noch fern, die junge Heranwachsende in ihrer Freizeit kein Sonnenlicht mehr sehen ließen. Während es für andere Jungen das Größte war, im Wald ein Lägerle zu bauen, stöberten Andreas Reegen und Ulrich Peter also entsprechend motiviert über die Feldflur und insbesondere über die Güglinger „Steinäcker“.
Bei den gemeinsamen Begehungen wurde von den zwei Munteren regelmäßig viel Terra Sigillata und sonstige Keramik angetroffen.
Im Jahr 1970 stieß Andreas Reegen dann allerdings auf einen goldenen Fingerring, in dessen Fassung sich noch eine rote Gemme befand. Er zog den Ring einem Fingerknöchel ab, den er jedoch liegenließ. Der Traum eines jeden Kindes, einmal im Leben einen Schatz zu finden, ging so für den kleinen Andy in Erfüllung.
Im August 2020 stellte Andreas Reegen nun den Gemmenring dem Römermuseum als Dauerleihgabe zur Verfügung, wo er fortan im Ausstellungsbereich zum Bestattungswesen gezeigt wird.
Im Nachfolgenden die Bestimmung des Stückes von Museumsleiter Enrico De Gennaro:
Ein Goldfingerring mit Mars-Ultor-Gemme
Der Ring besteht aus massivem Gold, seine Gesamthöhe einschließlich der Gemme beträgt 16 mm. Der Innendurchmesser des Ringes variiert zwischen 18 und 19 mm und die Ringschenkel besitzen kleinere Einschnürungen mit einer leicht ovalen Verdickung unterhalb der gestalteten Ringschultern. Auffallend am Stück ist, dass die Ringschenkel nicht mehr vollständig rund sind, sondern durch mehrere Kniffe eine Verengung des ursprünglichen Innendurchmessers herbeigeführt wurde. Somit kann es als wahrscheinlich gelten, dass ein Zweitträger, dem der Ring etwas zu groß war, ihn für sich auf diese Weise enger gemacht hat.
Die abgesenkten Ringschultern dehnen sich zum Ansatz des Ringkopfes bzw. der Lünette hin aus und sind mit dreigliedrigen, durch Rinnen getrennten und seitlich mit einer Einschnürung geschwungen auslaufenden Blattranken gestaltet.
Der Ring zeigt nur leichte Gebrauchsspuren, die sich vornehmlich auf den breitflächigen Partien der Ringschultern konzentrieren.
Die ovale Gemme mit breitem Schrägrand ist ein orangeroter, transparenter Karneol. Sie sitzt in einer niedrigen bis mittelhohen Kastenfassung auf dem Kopf des Goldringes, die um den Stein herum mehrfach leicht polygonal facettiert ist.
Auf der Gemme ist Mars stehend nach rechts dargestellt. Sein linkes Bein ist vorgelagert, während das rechte als Spielbein dient. Mitsamt der ebenfalls vorgerückten linken Hüfte und dem insgesamt mit den Schultern zurückgezogenen Oberkörper wirkt seine Körperhaltung außerordentlich geschwungen.
Auf dem Haupt trägt Mars einen Helm mit Helmzier, die aus in fünf zackenförmigen Strahlen auslaufenden Rippen besteht. In der erhobenen Linken, die bis zum Gemmenrand reicht, ist noch der Ansatz eines stabförmigen Gegenstandes erkennbar, den Mars hält. Sein gesenkter rechter Arm lagert auf dem Rand seines auf dem Boden stehenden Schildes, wobei sein um den rechten Unterarm gewundener Mantel bis auf den Schild herabfällt.
In der Vergrößerung ist erkennbar, dass Mars zwar bekleidet dargestellt ist, doch wurden aufgrund der Begrenztheit der Fläche als auch der gestalterischen Mittel hier keine näheren Details erkennbar realisiert.
Insgesamt handelt es sich um eine feine, detailreiche Arbeit; das Motiv weist keine bis nur eine mäßig matte Innenpolitur auf.
Die Darstellung folgt einem Darstellungstypus, der auf das Kultbild des Mars-Ultor-Tempels in Rom zurückgeht, welcher von Augustus errichtet wurde. Hierbei ist Mars in einem Panzer mit Pteryges gekleidet dargestellt, auf dem Haupt trägt er einen korinthischen Helm. In der erhobenen Rechten hält er seine Lanze, während seine Linke auf dem oberen Rand des neben dem linken Fuß abgestellten Schildes ruht, über den sein Mantel, von der rechten Schulter ausgehend und über den Rücken verlaufend, gewunden herabfällt.
Bronzestatuette von Mars Ultor.
The J. Paul Getty Museum, Villa Collection, Malibu, Kalifornien, Schenkung von Barbara und Lawrence Fleischman, Inv.-Nr. 96.AB.194.
Foto: J. Paul Getty Museum (Open Content Program).
Mögliche Einordnung in einen Befundkontext
Ob der überlieferte Fundhergang auf eine Bestattung hindeutet, lässt sich heute nicht mehr eindeutig beurteilen. So muss den Schilderungen nach eine Körperbestattung vorgelegen haben. Ob sie tatsächlich in römische Zeit datieren könnte, ist ebenfalls nicht abschließend zu klären, zumal sich die Fundstelle mitten in der römischen Siedlung befindet. Doch nicht allzu selten treten beispielsweise auch in frühmittelalterlichen Gräbern einzelne Antiquitäten in Form von Grabbeigaben und Trachtbestandteilen auf, die als Pretiosen oder Mirabilien selbst aufgefunden und für aufbewahrenswert erachtet wurden.
Vermutungen zum ursprünglichen Träger
Der einstige römische Träger des Rings hat das Motiv der Gemme sicherlich nicht zufällig gewählt, zumal in römischer Zeit der Männerschmuck häufig nur auf wenige Stücke, oftmals nur auf einen einzigen Ring, beschränkt war.
Die Verehrung von Mars, der vordergründig in altrömischer Zeit zwar als Ackergott fungierte, aber alsbald fast ausschließliche Bedeutung als Kriegsgott gewann, ist bislang nicht im Güglinger Vicus nachgewiesen. So konzentriert sich die Mars-Verehrung natürlicherweise besonders stark auf die Militärstandorte, was insbesondere an den überlieferten Steindenkmälern und Weihungen deutlich wird. Wie nun der Ring mit der Mars-Darstellung seinen Träger in einer zivilen ländlichen Siedlung fand, lässt sich somit am Naheliegendsten über einen persönlichen Bezug zum Militär vermuten: So könnte er möglicherweise ein Veteran gewesen sein, denn ganz unvermögend war er mit Sicherheit nicht, wenn er sich solch ein exzeptionelles Einzelstück, das eine Einzelanfertigung oder gar eine Auftragsarbeit gewesen sein muss, leisten konnte. Gegebenenfalls ließe sich auch ein anderweitiger Bezug zum Militär vermuten, wie beispielsweise im Hinblick auf eine intensive Handelstätigkeit.
Nicht auszuschließen ist jedoch generell auch, dass der Ring verschiedene bzw. mindestens zwei Träger während seiner Zeit als Fingerschmuck durchlaufen hat: Das wird am Offenkundigsten daran, dass der Ring einem der nachfolgenden Träger zu groß war und er diesen mittels mehrerer Kniffe bzw. Stauchungen für seine Bedürfnisse enger gemacht hat.