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Aktuelles | De Gennaro, Enrico | 06.07.2020
Totenmahlrelief mit vornehmer Güglingerin nun ausgestellt
Ein spannender Fund aus dem römischen Güglingen ist als einer der wenigen überhaupt eindeutig der Bestattungskultur zuzuordnen, denn das Gräberfeld zur Siedlung fand man bis heute nicht.
Da selbst die Corona-Zeit im Römermuseum in keinster Weise ungenutzt blieb, wurde dieses Stück zwischenzeitlich für die dauerhafte Präsentation aufbereitet und kann seit Ende Juni 2020 der Öffentlichkeit gezeigt werden.
Es handelt sich dabei um ein Reliefbruchstück aus Schilfsandstein, das Uli Peter im August 1999 im mittlerweile überbauten Bereich von Feuerwehr/Bauhof auf der Ackeroberfläche fand und welches er nun dem Museum als dauerhafte Leihgabe zur Verfügung gestellt hat.
Darauf zu sehen ist der fein frisierte Kopf einer Frau. Das nach oben halbrunde Bildfeld ist als muschelartiger Baldachin gestaltet und auf dem oberen Reliefrand ist noch links der ursprünglichen Mitte ein "D" als Inschriftrest erkennbar. Somit ist das Relief eindeutig dem Bestattungswesen zuzuordnen, denn die Inschrift lässt sich mit dem fehlenden zweiten Buchstaben ergänzen zu "Dis Manibus", "den Göttern/Geistern der Verstorbenen geweiht". Mit diesen auf Grabsteinen wiederkehrenden Weihungen sollten vor allem die fremden Geister besänftigt werden, denen man nach dem Tod schutzlos ausgeliefert war.
Schöner Vergleich für das Güglinger Stück: Grabstein für Aelia Aeliana mit Totenmahldarstellung, gefunden an der Scarborough Bridge in York. Das Ehepaar nimmt am eigenen Leichenschmaus teil; bedient werden sie von einer Sklavin, die entsprechend ihrer Bedeutungsgröße deutlich kleiner dargestellt ist.
Quelle: Foto: Mike Peel (CC-BY-SA-4.0).
Teilnehmerin beim eigenen Totenmahl
Merkwürdig ist am Relief nun aber, dass der erhaltene Frauenkopf so weit entfernt von den Rändern angebracht ist. Vergleiche haben nun gezeigt, dass es sich dabei um eine Totenmahldarstellung handelt: Darauf sind die Verstorbenen, auf einem Speisesofa liegend, beim eigenen Leichenschmaus abgebildet. Vermutlich war die Frau nicht alleine, sondern rechts von ihr war ihr Gatte dargestellt.
Für den typischen Römer war es das Schlimmste, für die Nachwelt in Vergessenheit zu geraten. So schuf man, je nach Geldbeutel, aufwendige Grabdenkmäler, die auch den eigenen Status dokumentieren sollten.
Die hier dargestellte Frau trägt eine seinerzeit topmodische Nestfrisur und ein Diadem auf dem Haupt: Bei dieser Frisur wurden mehrere Zöpfe aus Eigenhaar relativ dicht am Kopf frisiert; eine beidseits des Kopfes entlanggeführte Nackentolle ließ bei manchen Varianten die Ohren mal bedeckt und mal unbedeckt.
Ungewöhnlich späte Datierung
Das ist nun überaus spannend für die Datierung des Reliefs: Diese Frisurenmode kam erst in severischer Zeit auf und durch sie lässt sich das Steindenkmal mit einiger Sicherheit in das 2. Viertel des 3. Jahrhunderts datieren – überraschend spät, denn die letzte Münze, die aus den Grabungen vorliegt, stammt aus dem Jahr 228 n. Chr.
Nordafrikaner auf dem Kaiserthron
Die Kaiserdynastie der Severer hatte es schwer, in Rom Anklang zu finden, da ihre Mitglieder aus Nordafrika stammten und somit allein schon nicht gut gelitten waren. Auffallend ist in jener Zeit, dass sie vermehrt ihre weiblichen Angehörigen auf Münzbilder prägen ließen, um damit ihre dynastischen Bestrebungen zu festigen.
Sallustia Barbia Orbiana war die Frau des Kaisers Severus Alexander (222-235 n. Chr.) – allerdings nur von 225-227 n. Chr.: Auf Betreiben ihrer Schwiegermutter wurde die Ehe aufgelöst und Orbiana zurück nach Afrika geschickt, wo sie in Verbannung weiterleben musste. Sie trägt die Nestfrisur mit Diadem, wobei ihre Ohren hier unbedeckt sind. „Hochzeitsdenar“, um 225 n. Chr.; AO: Römermuseum Güglingen, Dauerausstellung (Leihgabe Uli Peter).
Von der Modemetropole Rom in die Provinz
Dies hatte auch eine bedeutende Auswirkung auf die Frauenmode: So war das Bild, das von den Kaiserinnen über die Münzen ins Volk transportiert wurde, prägend für die Frisurenmode. Wer etwas auf sich hielt, wollte ihnen so gut wie möglich nacheifern – insbesondere jene Frauen, die sich der Oberschicht zurechneten.
Während heute also die Mode kurzlebigsten Trends folgt und unzählige Selbstdarsteller ihre gefeierten Ikonen sind, so galten in römischer Zeit die Kaiserinnen als die alleinigen Trendsetterinnen. Bedingt durch das Vermitteln ihrer Bilder ins Volk und deren langer Laufzeit (wenn man z.B. an Münzen im Umlauf denkt) ergab sich freilich, dass die Modeströmungen weitaus länger währten als heutzutage.
Bis in die Provinz kamen somit diese Trends und dienten unserer vornehmen Güglingerin als Inspirationsquelle für ihre Frisur, mit welcher sie der Nachwelt bis heute erhalten bleiben sollte.
Bei Marcia Otacilia Severa, der Frau des späteren Kaisers Philippus Arabs (244-249 n. Chr.), tritt schon ein Übergang von der Nest- zur Scheitelzopffrisur ein: Hier wird ein Haarstrang an der Mitte des Hinterkopfes nach oben geführt. Bei der Güglinger Reliefdarstellung ist dieser Bereich allerdings bereits mit der Platte verbunden und die schlussendliche Beurteilung daher schwierig.
Antoninian, 234 n. Chr.; AO: Römermuseum Güglingen, Sammlung (Schenkung Sammlung Zapf).
Als fruchtbarer Nebenaspekt zu Autopsie und wissenschaftlicher Einordnung des Fundes durch Museumsleiter Enrico De Gennaro ist ein Aufsatz entstanden, der nicht nur dieses Relief, sondern sämtliche Steindenkmäler behandeln wird, die sich einem Bezug zu Bestattungswesen und Grabkult auf der Güglinger Teilgemarkung zuordnen lassen. Erscheinen wird er im Herbst 2020 im Rahmen der Zeitschrift des Zabergäuvereins.